Zu Besuch bei den Yamabushi

Japan bietet jede Menge Möglichkeiten um in die Berge zu steigen. Die Saison um den berühmten Fuji-san zu erklimmen ist seit kurzem schon wieder vorbei. Die Dewa Sanzan sind da auch so ein Markenzeichen in Japan. Vielleicht nicht so sehr bekannt, aber eben auch sehr reizvoll. Drei Tage war ich als Gast in der Herberge Daishōbō am Fuße des Berges Haguro-san und durfte mit anderen Besuchern die Yamabushi erleben und Ihnen nacheifern. Diese Bergmönche aus der sogenannten Shugendō-Religion sind dafür bekannt, bei den drei Bergen Haguro-san, Gas-san und Yudono-san zu leben. Diese 3 Gipfel bilden zusammen die Dewa Sanzan in der Yamagata-Präfektur. Von der Religion selber verstehe ich immer noch wenig, es war also auch ein Ausflug dort hinein. Die Unterkunft wurde direkt mit einem der Mönche, Takeharu Kato alias „Tak“, sehr einfach abgeklärt. Sogar in Facebook findet man eine Seite zur Herberge und den Kontaktformularen. Und an dem Wochenende war sogar ein Journalistenteam mit dabei. Noriko aus Tokyo und Tobias aus Berlin. Die beiden hatten Ihren Fokus auf die Rolle der Frau in Japan gerichtet und ein Artikel dazu ist wohl in Vorbereitung.

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Die Pilgerherberge „Daishōbō“

Den Haguro-san (419m) mit seinen über 2000 Stufen haben wir zweimal besucht und am Gas-san (1984m) waren wir ebenfalls zum Beten. Neben der asketischen Lebensweise wurden wir hauptsächlich auf Wanderschaft mitgenommen und hatten zwischendurch immer wieder Gebete aufgesagt. Eine Version für Ausländer wurde in Lateinschrift ausgehändigt und so kann man zumindest versuchen mitzumachen. Japanisch ist da trotzdem von Vorteil. Allerdings wird so oft gebetet, dass man genug Gelegenheit bekommt die Psalme gut zu üben. Am Ende konnte ich einigermaßen mitsummen und stellenweise gab es Erklärungen von Tak oder durch die anderen Teilnehmer. Wobei Konversation eigentlich vermieden wird bei so einem Training. Am Anfang dachte ich noch dass es echt schade sei ohne Plapperei, immerhin trafen sich da ca. 30 Leute zusammen. Die Yamabushi beherzigen jedenfalls eine beschwerliche Form der Berganbetung. Außer dem Schweigen gibt es kleine Portionen vegetarischer Kost und wenig Schlaf. In den Tagen hatte man übrigens eine Bekundung immer und immer wieder wiederholt: der Ausruf UKETAMO. Bevor eine Übung oder eine Anweisung angenommen wurde, sollte man damit den Bergmönchen gegenüber eine Art Zusage abgeben. Oder wie sie selber behaupten, damit seine Barmherzigkeit verstärken.

Nach der Ankunft hatten sich alle erst einmal in Ihre weise Leinentracht gehüllt und die wurde auch die restliche Zeit immer wieder angezogen. Erst ungewohnt, aber nach zweimal Anziehen ging das Zubinden mit Kordel und Schnüren recht schnell. Diese vier Tipps bekamen wir außerdem für das Training ausgehändigt:

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Der ausgehändigte Zettel mit den Tipps für die 3 Tage

Die Tipps waren nicht streng ausgelegt, aber alle hatten sich sehr ordentlich danach gerichtet und so wurde der Ausflug tatsächlich ein Training mit Komfortentzug. Auch von Handys oder Photoapparaten wurde abgeraten. Tak hatte freundlicherweise ein paar Bilder von den Wanderetappen aufgenommen und danach geteilt. Genauso die Profi-Fotografin, nur diese Bilder sind wegen den Verlagsrechten unter Verschluss.

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Die 5-stöckige Pagode am Fuße des Haguro-san

Der „Mönch-Häuptling“ Fumihiro Hoshino begrüßte jeden Teilnehmer und gab eine kurze Einführung. Direkt danach wurden die Rucksäcke mit Wasser und Regenjacke gepackt, jeder schnappte sich einen Wanderstock und es ging los in Richtung Haguro-san. Dort kommen auch die meisten Tagesausflügler hin, er ist eben recht leicht zu erreichen. Erst durch ein Tōri, dann vorbei an der 5-stöckigen Pagode Gojū-no-tō aus dem 14Jhd so wie manch anderen historischen Denkmälern und hochgewachsenen Bäumen bis hin zum Gipfel mitsamt seinen schmucken Schreinanlagen.

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Zurück von der Tour gab es eine kleine Portion Abendessen (Schüssel Reis, Schüssel Miso-Suppe und 2 Mini-Auberginen). Das ganze sollte aber so schnell wie möglich gegessen werden (Vorgabe war 1 Minute). Um für den nächsten Tag vorbereitet zu sein, spazierten wir danach noch mal hinaus und der Berg Gas-san wurde aus der Ferne ins Auge gefasst (ca. 15km entfernt). Also eigentlich eher mental darauf vorbereitet, es war nämlich schon dunkel und auch bewölkt. Und ehe wir auf den Tatami-Matten zu Bett gingen, hatte uns Tak das „Smoking“ angekündigt. Es war eines der Trainingsrituale und symbolisiert wohl auch eine spezielle Station. In einem separaten Raum wurden Sägespäne und kleinere Zweige (sowas wie Melisse, Pfefferkörner,…) angezündet und der Raum komplett eingenebelt. In dem Rauch wurden dann auch nochmal die Gebetsverse aufgesagt und so stach es jedem ordentlich in der Lunge. Aber trotzdem haben die meisten die Gebete vorgemurmelt. Die Mönche selber waren da robust, alle anderen Teilnehmer sind sowas eher weniger gewohnt und daher war es schon ne harte Nummer. Bei dem Ritual waren Frauen und Männer separat eingeteilt. Der Geruch selber war eigentlich nicht unangenehm, aber so viel Rauch in der Lunge macht sich schon bemerkbar.

Noch vor dem Sonnenaufgang am nächsten Tag kam Tak in den Tatami-Raum und weckte uns mit einem Horagai, dem typischen Muschelhorn der Yamabushi. Alle standen direkt auf, räumten Ihre Futon-Matratzen weg und zogen sich an. Wir frühstückten wieder die Portion Reis, Miso-Suppe und 2 Scheiben eingelegtem Daikon-Rettich in Rekordzeit. Ungefähr bei Sonnenaufgang fuhr uns der Bus dann in Richtung Gas-san bis zur Bushaltestelle der 8.Station (Gas-san-hachi-gōme). Der Aufstieg bis zum Gipfel ging vielleicht 4km und dort angekommen durften wir in einem kleinen Bergschrein die Gebetsverse aufsagen. Außerdem wurde uns auch erklärt, dass dieser Gipfel eine besondere Bedeutung innehat. Man gedenkt weiterhin sehr stark den Opfern des Tōhoku-Erdbebens 2011 und dementsprechend engagiert hatte man sich dort verhalten. Bevor der Abstieg losging, saßen wir noch in einer Berghütte und verdrückten unser Lunchpaket, nämlich drei Onigiri. Aus der Küche wurde sogar noch eine richtig leckere Suppe dazu serviert. An Berggipfeln angekommen, schmeckt eigentlich jede Mahlzeit. Aber irgendwie war ich schon verblüfft wie man mit so wenig Essen die Energie für eine Bergwanderung haben kann. Wahrscheinlich haben mich die vielen neuen Eindrücke so abgelenkt, dass alles andere weniger wichtig war. Auf der anderen Seite war es ja auch nur für ein paar Tage, ging so eine Askese-Tour über einen längeren Zeitraum dann ist das nochmal ne andere Geschichte.

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Der Abstieg vom Gas-san war ein längerer Weg, außerdem auch felsig und insgesamt gar nicht so ohne. Obwohl einige Leute sogar ausrutschten, sich die Knie verschrammten oder irgendwie leicht verletzen, wurde stets weitergemacht. Wohlgemerkt sind die Teilnehmer selber ja keine Bergmönche und bei dem Abstieg mit den vielen Steinbrocken und Leiterabschnitten schon taff. Das Ende vom Abstieg war dann gleichzeitig der Eingang zum Yudono-san, dem dritten heiligen Berg der Dewa Sanzan Reihe. Den haben wir aber nicht besucht, sondern sind per Bus wieder zurück ins Daishōbō. Vor dem großen Tōri am Eingang des Yudono-san gab es aber noch eine Station. Dort waren wieder die Buben und Mädchen unter sich. Tak führte uns einen kleinen Fluss hinauf zu zwei kleinen Wasserfällen und bevor wir uns darunter stellten, gab es noch ein bisschen zusätzliche Gymnastik. Das war lustig und hatte auch motiviert, denn es hat mich ein wenig an den Tanz der All-Blacks Rugby Mannschaft erinnert 😉

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Wir hatten dort nichts an außer der selbst zusammengebundenen Leinenunterhose. Es war auch warm an dem Tag, das Wasser in den Bergen ist aber trotzdem frisch. Tak machte den ersten Schritt unter den Wasserfall und stand die meiste Zeit neben allen anderen dabei. Ich hatte mich auf eine ungemütliche Kälte eingestellt, als ich aber an der Reihe war blieb der Schreck irgendwie aus. Die Wucht und Schwere der Wassermenge überraschte viel mehr und haute mich kurzerhand um. Einmal abgetaucht und wieder aufgerappelt fand ich einigermaßen eine Standposition und dann war es irgendwie möglich ein bisschen zu duschen. Für Denken war dann aber kein Platz, in dem Moment beherzigt man also den Rat „Feel, don’t Think“ 😉 Wobei das vielleicht nur für Anfänger gilt, bei Tak sah man nämlich schon besser wie man unter so einer Dusche ein Gebet durchgeht.

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Gruppenbild vor dem Tori am Eingang zum Yudono-san

Der Wasserfall, das „Smoking“ und die Wanderetappen sorgen für die Aufregung in so einem Training. Mit dem Beten bzw. Meditieren verbringt man aber auch viel Zeit. Man hat uns auch erzählt, dass die Yamabushi selber durch das viele Beten Ihre Kraft schöpfen. Nach diesen Erlebnissen bekam jeder eine Art Urkunde am Mittag des 3. Tages überreicht. Zudem wurden wir daran erinnert auch in Zukunft das Beten zu beherzigen. Und als wir mit dem offiziellen Teil durch waren, gab es sogar noch etwas Amüsement. An diesem letzten Tag wurde das Frühstück zwar ausgelassen, aber nach einem gemeinsamen Besuch in einem Onsen wurde zusammen gegessen und geplappert was das Zeug hält. Wieder etwas Einfaches mit starker Wirkung.

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Dieses Mittagessen war eine große Portion Shojin-Ryori. Also immer noch vegetarisch mit regionalem Gemüse, Obst und Reis. Zum Beispiel die Schüssel Reis mit Kastanien (Kuri-Gohan), verschiedene Tofu-Sorten (u.a. Goma Dofu), Maitake-Pilze, Kabocha-Kürbiss, Edamame sowie Sachen die ich einfach nicht kannte aber immer lecker waren! Sogar Bier und Sake gab es dazu. Und zum Schluss durfte auch jeder der Reihe nach aufstehen um von sich und seinen Eindrücken zu erzählen. Vor so vielen Leuten kann das schon mal unangenehm sein, aber irgendwie war nach den gemeinsamen Erlebnissen eine wohlige Stimmung in der Luft. Das allermeiste ging natürlich an mir vorbei und trotzdem war ich verwundert wie lange alle drauf los erzählten. In dem Teil wurde insgesamt viel gelacht und für uns Deutsche sogar übersetzt. Manche hatten dagegen auch Tränen in den Augen, aber schlussendlich war die Unterhaltung doch noch im Programm.

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Fazit: Die speziellen Stationen sind schon mal ein Sprung ins kalte Wasser, aber da hatten es die Mönche sehr gut moderiert. Mir ist immer noch das klassische Sitzen während dem Beten auf den Tatami unangenehm (Sitzen auf den Fersen oder im Schneidersitz / Lotussitz). Genauso sind die Gebetsverse selber und die Kommentare vom Lehrmeister auf Japanisch. Da bin ich ehrlichgesagt ab und an eingenickt oder war sogar genervt, es nicht zu verstehen. Eine ausgestreckte Sitzweise wurde freundlicherweise komplett toleriert und die Gebete wurden durch ein wenig Melodie sogar mehr und mehr zum Spaß. Also schlussendlich darf man selber ausprobieren was möglich ist und mit ein wenig Mühe kommt auch das Gefallen daran. Es ist aber schon eine Herausforderung mit dem wenigen Essen und der Geduld bei den Übungen. Umso bemerkenswerter das es für Frauen und Männer gleichermaßen angeboten und auch angenommen wird. Besonders das es die Mönche mit Ihrer Expertise geduldig vorleben. Das man das Denken und Fühlen stark voneinander trennt, ist da vielleicht nur auf dem Papier gültig. Denn mit den vielen Ruhephasen hat man viel Gelegenheit die Gedanken im Kopf umherflattern zu lassen. Unterm Wasserfall oder den schwierigen Bergpassagen ist vielleicht keine Zeit zum Grübeln, aber auch diese Eindrücke werden danach einsortiert. Und auch der Komfortentzug ist am Anfang ungewöhnlich. Hat man den Bogen aber einmal raus, kann man sich unheimlich konzentriert den Aufgaben widmen.

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Nun gut, der Besuch in einer Yamabushi-Pilgerstätte war nur für ein paar Tage, aber diese Zeit bleibt definitiv eine besondere Erinnerung. UKETAMO !

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2 Gedanken zu “Zu Besuch bei den Yamabushi

    1. Hallo Werner,
      sobald die Reportage rauskommt, kann ich mich ja nochmal melden und dann sind wir beide schon mal aufmerksame Leser davon 😉

      Deine Frage lässt sich nicht in ein paar Worten beantworten. Welche Rolle.. ? Ouh Mann! Na Rolle vorwärts und Rückwarts und seitlich und mit Strecksprung und Salto. Die Mädels dürfen tun und lassen was sie wollen 🙂

      In Japan ist die traditionelle Rolle der Frau glaub gar nicht so frei. Arbeit und Familie lassen sich nur begrenzt zusammen ausleben. So wie ich das mitbekomme, bleiben die Frauen nach der Heirat oder spätestens nach dem 1.Kind zu Haus. Und dann die ungleichen Gehälter wohl ähnlich wie in Deutschland auch. Manche machen sich selbstständig und sind dann Ihr eigener Cheffe. Also Sie wissen sich schon zu wehren.
      Aber genug von meinem Halbwissen. An dem Wochenende wurden einige der Frauen interviewt und da bin ich mal gespannt, was die Journalisten schreiben.

      Bei den Religionen (Shintō, Buddhismus) wurden die Frauen übrigens auch nicht von Anfang an in die Tempel hereingelassen. Mittlerweile ist das anders und Dank solcher Leute wie dem Bergpriester aus dem Daishōbō wird das auch gestärkt. Eigentlich wie bei so vielen Entwicklungen.. Man irrt sich nach oben 🙂

      Und das ist jetzt auch nur ein bissle… Das Leben ist ja mehr als Arbeit und Beten. Bei nem Bierle schwätzed ma mal. Oder besser, wir hören den Mädels selber zu 😉

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